Was die elektronische Patientenakte (ePA) auszeichnet
Was als Begriff ein wenig hölzern daherkommt, ist im Grunde ganz einfach: Die elektronische Patientenakte (ePA) ist ein digitaler Ablageort, in dem Bürger und medizinisches Personal Gesundheitsinformationen als Kopie speichern können [1].
Man kann es sich ein bisschen vorstellen wie ein Dropbox-Ordner, mit dem Menschen persönliche Informationen einsehen, speichern und eben teilen können. Denn ähnlich wie beim Verwalten von Urlaubsfotos ist der praktische Nutzen enorm. Nur garantiert die ePA natürlich höchste Sicherheitsstandards, da es sich um sensible Gesundheitsdaten handelt.
Die Originaldaten verbleiben zudem immer beim „Leistungserbringer“, der die Daten erzeugt hat. Trägt also zum Beispiel ein Hausarzt die Befunde einer körperlichen Untersuchung in das IT-System seiner Praxis ein, bleiben die Daten dort hinterlegt. Jedoch kann nun zusätzlich eine Kopie in die ePA übertragen werden [1, 2].
Eine weitere Besonderheit liegt in der „Patienten-geführten” Handhabung. So entscheidet jeder Mensch selbst, ob überhaupt eine ePA angelegt und geführt werden soll – oder eben nicht. Und auch wenn man sich entscheidet, bei seiner Krankenkasse eine ePA für sich erstellen zu lassen, bleibt die Einzelperson weiterhin in Kontrolle [3, 4].
Denn künftig kann jeder Mensch selbst darüber entscheiden, welche Daten in der ePA von wem hinterlegt und eingesehen werden können. Die Zügel werden also zu keinem Zeitpunkt aus der Hand gegeben.
Aktuell ist jedoch erstmal nur der Startschuss erfolgt. Das System der ePA befindet sich immer noch im Aufbau und bisher können nur ausgewählte Ärzte im Rahmen einer Testphase vereinzelt Daten darauf ablegen. Es wird also noch eine kleine Weile dauern, bis alle Funktionalitäten verfügbar sind und die ePA endgültig aus ihren Kinderschuhen herauswächst [1].
Doch das ist bereits absehbar:
Riesiges Potenzial: die Daten der ePA
Aktuell mag die ePA noch nicht beeindrucken. So erwarten einen nach Aktivierung lediglich die eigenen Stammdaten wie Name, Krankenkasse und Geburtsdatum. Zudem kann man Dokumente erstmal nur selbst eingescannt hochladen. Doch der magere Ersteindruck täuscht gewaltig [1-3].
Denn durch die anfangs überschaubaren Funktionen der ePA kann man schnell unterschätzen, wie groß die Möglichkeiten einmal sein werden. Und schon bald könnten mit jeder weiteren Funktion Schlag auf Schlag neue Vorteile entstehen.
Welche Daten sind gemeint
Das langfristige Ziel ist dabei klar. Sämtliche Gesundheitsdaten wie Befunde, Diagnosen, geplante Therapiemaßnahmen oder Behandlungsberichte können in der ePA gespeichert und verwaltet werden. Wie erfolgreich frühere Behandlungen verliefen und wie die Blutwerte damals waren, könnte also künftig über Praxis- und Krankenhausgrenzen hinweg geteilt werden [1, 3, 4].
Bis das umfassende Komplettpaket verfügbar ist, wird man die Funktionen zunächst schrittweise erweitern. Dabei werden als erstes Impfpass, Mutterpass sowie Zahn-Bonus-Heft und „U-Heft” für Kinder in der ePA einsehbar sein. Die Zeiten, in denen man seinen Impfpass verlieren kann, nähern sich also einem Ende [2].
Mittelfristig ist dann angedacht, auch Informationen über komplexe Behandlungen von mitunter langwierigen Erkrankungen in der ePA verwalten zu können. Dies kann zum Beispiel die bereits üblichen „Disease-Management-Programme” umfassen [5].
Bei Letzteren handelt es sich um strukturierte Behandlungsprogramme für chronische Krankheiten wie Brustkrebs, Diabetes, Asthma und andere. Diese systematischen Programme ermöglichen bessere Behandlungsergebnisse durch eine leitliniengerechte Therapie und koordinierte Maßnahmen aller Behandler [6].
Gut zu wissen: Nicht nur dass Patienten künftig bestimmen, wer ihre Daten wie lange einsehen darf. Sie entscheiden auch, welche Daten – zum Beispiel nach einem Arztbesuch – überhaupt in die ePA aufgenommen oder wieder gelöscht werden [2, 3].
Alle Daten in der ePA sind zudem verschlüsselt, sodass niemand ohne Berechtigung Einblick erlangen kann. Für Datenschutz und Datenverarbeitung ist dabei der jeweilige Anbieter, also die zuständige Krankenkasse verantwortlich [1].
Viele Vorteile in naher Zukunft
Jeder, der schon einmal ein größeres gesundheitliches Problem durchgemacht hat, kennt es: Während die eigenen Beschwerden schon genug Energie rauben, muss man sich oft zusätzlich von Behandler zu Behandler hangeln. Das kostet Kraft.
Denn für die passende Behandlung braucht es oft verschiedene Akteure des Gesundheitssystems. Das können niedergelassene Ärzte, Kliniken, ambulante Pflegekräfte, Zahnärzte, Hebammen, Physio- oder Psychotherapeuten und viele mehr sein [7].
Stand heute tauschen sich diese per Fax oder Brief aus. Viele Infos muss man dennoch mehrfach erzählen und verpasst so womöglich die Chance, wichtiges hinzuzufügen. Zudem müssen Bildgebungsverfahren häufig mehrfach durchgeführt werden, weil die CD mit den zugehörigen Daten entweder nicht rechtzeitig angekommen ist oder schlicht nicht erkannt wird [7, 8].
All das kann frustrierend sein. Und für all das bietet die ePA einen praktischen Ausweg.
Denn über die ePA bekommen Patienten nun einen direkten Zugang zu all ihren Gesundheitsdaten. Somit können sie sich jederzeit einen Überblick über ihren Medikationsplan, ihre Diagnosen und vieles mehr verschaffen [1, 4, 9].
Aber damit nicht genug: Sie können fortan zudem alle relevanten Daten unmittelbar mit weiteren Behandlern teilen, wenn sie zum Beispiel einen anderen Arzt aufsuchen. Für medizinisches Personal wird es so möglich, alle Informationen bei Bedarf digital und schnell einzusehen [1, 4, 7, 9].
Auch können sich Ärzte nach erfolgter Zustimmung einen guten Gesamtüberblick über den Gesundheitszustand einer Person verschaffen. Damit können sie besser und mit mehr Zeit auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten eingehen. Insgesamt wird der Austausch zwischen Behandlern damit künftig schnell, sicher und unkompliziert [1, 7, 9].
Um diesen Austausch reibungslos zu ermöglichen, müssen jedoch alle medizinischen ePA-Daten erst noch standardisiert werden – und dabei auch dem gleichen Standard entsprechen. Hierfür ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gesetzlich verpflichtet worden, weswegen sie diese Standards („medizinische Informationsobjekte oder MIOs“) künftig definieren wird [2, 5].
Einen weiteren Vorteil bietet die Möglichkeit zur Datenspende. So können alle Menschen mit ihren Gesundheitsdaten einen Beitrag zur Forschung leisten und dabei trotzdem anonym bleiben [7, 8].
So kann es losgehen
Wer von Anfang an bei der ePA dabei sein möchte, kann bereits seit 1. Januar loslegen [4, 5, 8].
Als erster Schritt steht die Kontaktaufnahme mit der eigenen Krankenkasse an. Entweder man lässt sich daraufhin einen Link zuschicken oder sucht die entsprechende App auf eigene Faust im Appstore. Nachdem die App erfolgreich auf Smartphone oder Tablet heruntergeladen wurde, steht als nächstes die Identifikation als Kassenmitglied an [1].
Je nach Krankenkasse kann dieser Schritt variieren. Während bei einigen Anbietern für die Identifikation zur Zeit noch ein persönlicher Termin erforderlich ist, schicken andere die Zugangsdaten auf dem Postweg zu. Anschließend kann das sogenannte Selfie-Ident-Verfahren in der App erfolgen – in der Regel durch einen externen Dienstleister [1].
Die ePAs selbst werden von etablierten IT-Unternehmen wie IBM und RISE angeboten. Die Firmen arbeiten also im Auftrag der Krankenkassen. Das genaue Regelwerk rund um Aufbau und Handhabung der ePA wird dagegen von der gematik festgelegt. Diese liegt mehrheitlich in der Hand des Bundes. Möchte ein IT-Unternehmen Teile der ePA bauen, muss es zuvor von der gematik zertifiziert werden [5].
Was als nächstes kommt
Sich die ePA aufs Smartphone zu holen, lohnt. Denn bei der aktuell noch abgespeckten Form wird es nicht lange bleiben. Schon im Laufe dieses Jahres werden schrittweise alle niedergelassenen Ärzte an die hierfür notwendige „Telematikinfrastruktur” angeschlossen. Dies erfolgt über sichere Konnektoren [1, 4, 7].
Somit können niedergelassene Ärzte die ePA zunehmend im Auftrag von Patienten mit Gesundheitsinformationen füllen. Ab Mitte des Jahres werden dann auch Apotheken und Krankenhäuser über ein ähnliches System (Konnektoren) an die Telematikinfrastruktur angeschlossen [1, 7, 10].
Auch für Menschen, die nicht über ein Smartphone oder Tablet verfügen, wird es Mitte des Jahres einfacher. Ab Juli 2021 können Versicherte ihre ePA nämlich auch direkt in der Arztpraxis nutzen. Niemand wird also ausgeschlossen [1, 3, 4, 8].
Der Startschuss zu Jahresbeginn wird also nicht der letzte Meilenstein bleiben.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.
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